
Die letzten Wochen und Monate wird die Debatte um das Verbrenner-Aus 2035 in der EU immer wieder von neuem angefacht. "Die europäische Autoindustrie wehrt sich dagegen" liest, sieht und hört man immer wieder. In deutlich kleineren Beitägen wird beiläufig erwähnt, dass einige CEOs diese Diskussion für reichlich kontraproduktiv halten. Wer und welche Marken sind nun dafür oder dagegen? Zur Beantwortung dieser Frage wollen wir hier einen faktenbasierten Beitrag liefern.
1. Die Politik ist der Hauptakteur in dieser Entscheidung. Das Verbrenner-Aus ist kein freiwilliger Schritt der Industrie, sondern das Ergebnis eines langjährigen politischen Prozesses: Die EU-Kommission hat im Juli 2021 ein umfangreiches Klimaschutzpaket vorgestellt, um die Netto-Treibhausgasemissionen massiv zu senken. Dieses sieht ab 2035 eine 100% Reduktion der CO₂-Emissionen für neue Pkw und leichte Nutzfahrzeuge vor. Ein De-facto-Verkaufsverbot für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, da diese beim Fahren CO₂ ausstossen. Es gibt eine Ausnahme für "CO₂-neutrale Kraftstoffe" (E-Fuels): Auf Druck vor allem Deutschlands wurde eine Klausel eingefügt, die es ermöglicht, Verbrenner auch nach 2035 neu zuzulassen, wenn sie ausschließlich mit E-Fuels betrieben werden können. Die technische Umsetzung dieser Ausnahme ist jedoch noch mehr als unklar. Das Europäische Parlament und der Rat der EU (die Mitgliedstaaten) haben der Verordnung nach langen Verhandlungen zugestimmt. Sie ist damit beschlossenes Recht. Die Politik setzt also den verbindlichen Rahmen, an den sich alle Hersteller halten müssen. Die Diskussion der Industrie dreht sich nicht mehr um das Ob, sondern um das Wie der Umsetzung.
2. Die Automobil-Hersteller haben die Entscheidung weitgehend akzeptiert und ihre Strategien vollständig auf Elektrifizierung ausgerichtet. Ihre Milliardeninvestitionen in die Elektromobilität sind längst getätigt und diese müssen endlich Gewinne abwerfen. Die "Kritiker" (wie z.B. BMW, Toyota, Porsche) warnen weniger vor der Elektromobilität an sich, sondern vor dem dogmatischen Ausschluss anderer Technologien (Hybrid, Wasserstoff, E-Fuels) und vor allem vor den sozioökonomischen Risiken (Kosten, Jobs, Wettbewerbsfähigkeit) und den noch unzureichenden Rahmenbedingungen (Ladeinfrastruktur, Stromnetz, Rohstoffe). Dennoch ist allen klar, dass der Weg zu 100% Elektrifizierung unumkehrbar ist.
3. Warum die EU so ambitioniert vorgeht, ist einfach erklärt. Die europäische Politik und Teile der Industrie sehen in der Elektrifizierung eine historische Chance, die technologische Führungsposition im Automobilsektor zu behaupten oder zurückzugewinnen. Die Geschwindigkeit und Entschlossenheit, mit der China in die E-Mobilität investiert hat, wirkt dabei wie ein Weckruf. Es ist ein Wettrüsten: China hat über Jahre eine dominante Position in der gesamten Batterie-Wertschöpfungskette aufgebaut (Rohstoffe, Zellproduktion). Die EU fürchtet, langfristig abgehängt zu werden und nur noch ein Abnehmer für chinesische Technologie zu sein. Das Verbrenner-Aus soll europäische Investitionen in eigene Kapazitäten (Gigafactories, Recycling) erzwingen und so die technologische Souveränität sichern. Fakt ist: China ist der weltgrößte Markt für Elektroautos. Europäische Hersteller müssen dort erfolgreich sein, um global wettbewerbsfähig zu bleiben. Da China über strenge Quoten für NEV (New Energy Vehicles) verfügt, haben sich europäische Hersteller ohnehin schon auf E-Mobilität umstellen müssen. Das EU-Verbrenner-Aus ist auch eine Antwort, um im Heimatmarkt nicht ins Hintertreffen zu geraten. Und in der Tat, haben die europäischen Hersteller die letzten 2 Jahre bedeutend aufgeholt, was beweit, dass eine entschlossene Vorgehensweise in Richtung 2035 alternativlos ist.
Kurz gesagt: Das EU-Verbrenner-Aus 2035 ist nicht nur eine unumgängliche Klimaentscheidung, die uns alle trifft, sondern vor allem auch eine industriepolitische Antwort auf den Aufstieg Chinas als Automacht. Es ist ein hochriskantes Spiel, bei dem die europäische Industrie gezwungen wird, sich im Wettlauf mit China zu behaupten. Diesen Wettlauf kann man nur gewinnen, wenn man gemeinsam, entschlossen und vor allem ohne parteipolitischen Spielchen an einem Strang zieht.
Hier noch eine kurze tabellarische Übersicht über die einzelnen Positionen der Automobilhersteller:
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