
Wie die Formel E den Weg für effizientere Elektroautos ebnet
Die Energierückgewinnung beim Bremsen – kurz Rekuperation – gilt als Schlüsselelement der Elektromobilität. Sie steigert nicht nur die Reichweite von E-Fahrzeugen, sondern verringert auch den Verschleiß mechanischer Bremssysteme und trägt zur Energiereduktion im Straßenverkehr bei. In kaum einem anderen Bereich wird diese Technologie so konsequent und unter Extrembedingungen weiterentwickelt wie in der Formel E. Die elektrische Rennserie dient damit als reales Innovationslabor für die Rekuperationsforschung – mit direktem Technologietransfer in die Serienentwicklung.
Elektrofahrzeuge verwandeln ihre Elektromotoren beim Bremsvorgang in Generatoren: Bewegungsenergie wird in elektrische Energie umgewandelt und in die Batterie zurückgespeist. Der Wirkungsgrad dieser Systeme ist dabei ein zentraler Forschungsgegenstand: Wie viel Energie kann tatsächlich zurückgewonnen werden? In der Formel E, wo Effizienz über Sieg oder Niederlage entscheidet, wird dieser Wert kontinuierlich gesteigert. In der aktuellen Fahrzeuggeneration Gen3(seit 2023) erreichen die Teams Rekuperationsanteile von bis zu 40 Prozent der Gesamtenergie, die ein Fahrzeug im Rennen verbraucht – ein Meilenstein. Die zukünftigen Entwicklungen zeigen deutlich in die Richtung 50 Prozent.
Die Formel E dient hier als Entwicklungsmotor, sie ist ein hoch technisierter Wettbewerb mit klarer Zielsetzung: Effizienz maximieren, Energie intelligent managen. Mit jedem Rennen sammeln Hersteller wie Porsche, Jaguar, Nissan oder Mahindra Daten in Echtzeit, die direkt in die Fahrzeugentwicklung einfließen.
Besonders beeindruckend ist die neu entwickelte Rekuperationsarchitektur der Gen3-Fahrzeuge:
• Zwei Elektromotoren (vorn und hinten), wobei der vordere ausschließlich für die Energierückgewinnung zuständig ist.
• Eine mechanische Vorderbremse ist dadurch überflüssig – das Fahrzeug verzögert allein über den Generator.
• Die kombinierte Rekuperationsleistung beträgt bis zu 600 kW – ein neuer globaler Rekord.
Die Rekuperation wird dabei nicht einfach linear zugeschaltet, sondern dynamisch geregelt: Über Sensorik, Telemetrie und KI-gestützte Strategien analysieren die Teams das Verhalten auf der Strecke, die Position im Rennen und den Batteriezustand. Diese datenbasierte Steuerung ist ein Vorbild für zukünftige adaptive Fahrassistenzsysteme im Alltag.
Die Erkenntnisse aus dem Rennsport werfen auch neue Forschungsfragen auf: Wie lassen sich hohe Rekuperationsleistungen in Alltagsszenarien nutzen, ohne den Fahrkomfort zu beeinträchtigen? Im Zentrum dieser Praxis-Forschung stehen zunehmend „Brake-by-Wire“-Systeme, bei denen das Bremspedal keinen direkten mechanischen Kontakt mehr hat, sondern elektrische Impulse an die Steuerung weiterleitet. So kann die Verteilung zwischen mechanischer und elektrischer Bremskraft individuell geregelt werden – ein Paradigmenwechsel in der Fahrzeuginfrastruktur. Darüber hinaus helfen die in der Formel-E gewonnenen Daten, die Restreichweite präziser zu berechnen, vorausschauendes Fahren zu fördern und neue Konzepte wie bidirektionales Laden mit Rückspeisung ins Netz (Vehicle-to-Grid) technisch vorzubereiten.
Auch wenn der Rennsport immer wieder unter Kritik steht, die Formel E zeigt eindrucksvoll, dass Motorsport nicht zwangsläufig ein Widerspruch zu Nachhaltigkeit sein muss – im Gegenteil: Sie ist ein realer Prüfstand für Technologien, die unsere Mobilität effizienter, intelligenter und ressourcenschonender gestalten. Die Fortschritte in der Rekuperation sind ein Paradebeispiel dafür, wie sich Hochleistungsforschung aus dem Rennumfeld in greifbare Innovationen für den Alltag verwandelt. Die Zukunft der Mobilität wird nicht nur elektrisch sein – sie wird rekuperativ gedacht, ganz im Sinne einer neuen nachhaltigen Mobilität.
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