Das von der österreichischen Bundesregierung vorgestellte Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) soll die Versorgung sichern, Kosten senken und die Energiewende beschleunigen. Aber tut es das auch? Wurde hier in die Zukunft gedacht? Leider nein. Es sieht so aus, als wäre das wieder eine visionslose Maßnahme, die Maßnahmen ausklammert, die in anderen Ländern schon in den Startlöchern stehen. Die IG Windkraft geht sogar noch einen Schritt weiter mit ihrer Kritik: Das ElWG in vorliegender Form werde „nachhaltigen Schaden am weiteren Umbau der heimischen Energieversorgung anrichten“. Die „Spitzenkappung“ ist ein Instrument, mit dem Netzbetreiber die maximale Einspeiseleistung von Erzeugern zeitweise oder dauerhaft begrenzen können – meist zu Zeiten besonders hoher Einspeisung. Entwickelt wurde diese Maßnahme für Mittagsspitzen bei PV-Anlagen auf Haushaltsebene im Niederspannungsnetz. Aus fachlich nicht nachvollziehbaren und EU-rechtlich bedenklichen Gründen soll die Spitzenkappung im neuen ElWG auch auf die Windkraft angewendet werden. Soweit die IG Windkraft.
Das wirft berechtigte Fragen auf. Ist die „Spitzenkappung“ eine adäquate Antwort auf eine ungleichmäßige Stromverteilung erneuerbarer Energien? Muss man wertvolle Energie wirklich „kappen“ oder gäbe es Möglichkeiten einer besseren Verteilung und Speicherung? Fest steht: Im elektrischen Energiesystem muss die Stromerzeugung mit der Stromnachfrage im Einklang stehen. Dementsprechend muss die Stromerzeugung der Nachfrage oder die Nachfrage der Stromerzeugung angepasst werden. Dafür braucht es Flexibilität in beide Richtungen. Und die geeigneten Speichermöglichkeiten.
Die gute Nachricht: die Speicher gibt es schon. 225.000 Speicher fahren zur Zeit als E-Autos auf Österreichs Straßen (2030 sollen es laut Umweltbundesamt 1,6 Mio. sein) und - was die noch bessere Nachricht ist - stehen die meiste Zeit geparkt herum. Wären sie in dieser Zeit an der Ladestation angeschlossen und damit mit dem öffentlichen Stromnetz verbunden, könnten sie die Aufgabe der besseren Verteilung übernehmen. V2G nennt man diese Methode: Vehicle-to-Grid. V2G-fähige Elektrofahrzeuge können Energie in das Netz einspeisen, wenn die Nachfrage hoch ist, und Energie aus dem Netz aufnehmen, wenn die Nachfrage niedrig ist. Dadurch wird die Stabilität des Energiesystems verbessert.
Die Möglichkeit des Be- und Entladens von Fahrzeugbatterien erleichtert die Integration von Wind- und Sonnenenergie und gleicht deren Schwankungen im Energieangebot aus. Dadurch wird das Anfahren fossiler Kraftwerke reduziert und signifikant CO2 gespart. Elektrofahrzeuge können also während Spitzenlastzeiten Energie ins Netz abgeben, um den Bedarf zu decken. Dies trägt zur Effizienz des Energiesystems bei. Auch der Netzausbau kann durch die Zwischenspeicherung signifikant reduziert werden und somit auch die Stromkosten in Summe. Das Ganze birgt sowohl volkswirtschaftliche Einsparpotenziale als auch Möglichkeiten zur Eigenverbrauchsoptimierung: V2H (Vehicle-to-Home) ist eine Technologie, die es ermöglicht, Elektrofahrzeuge in das häusliche Energiemanagement einzubinden und so selbst erzeugten Strom (z.B. via PV) effizient zu nutzen. Und die PKW-Speicher können auch bei Stromausfällen als Notstromversorgung für Gebäude oder das lokale Netz genutzt werden.
Gibt es das schon? Ja. Zwei Beispiele von mehreren seien hier genannt: Volkswagen erprobt mittels 200 Elektroautos und 200 bidirektionalen Ladegeräten in Stenberg im schwedischen Hudiksvall die Potenziale dieser Technologie sehr praxisnah. Die Renault Gruppe startete im Juni 2025 in der Stadt Utrecht das erste groß angelegte Vehicle-to-Grid (V2G) Carsharing-Angebot in Europa: „Utrecht energized“. Die Initiative unterstützt ein nachhaltigeres, effizienteres Energiesystem in einer Stadt, in der bereits 35 % der Dächer mit Sonnenkollektoren ausgestattet sind. Dank der V2G-Technologie können ab sofort Elektrofahrzeuge Energie speichern und in Spitzenzeiten in das örtliche Netz zurückspeisen.
Was fehlt noch für den Durchbruch in Europa, in Österreich? Die Technologie für Vehicle-to-Grid (V2G) ist bereit – jetzt ist die Politik am Zug. Denn ohne eindeutige gesetzliche Rahmenbedingungen bleibt die Nutzung bidirektional ladender Elektrofahrzeuge weitgehend Theorie. Die Politik ist gefordert, endlich mutige und in die Zukunft weisende Entscheidungen zu treffen. Speichern statt kappen.
P.S.: Ein Paradebeispiel lieferten die Ladeinfrastruktur-Experten von „The Mobility House“ beim Amsterdamer Coldplay-Konzert. Sie zeigten, wie unglaublich leistungsfähig ein Batterieverbund sein kann. In der Amsterdamer Johan Cruijff ArenA lieferten 148 stationäre 1st- und 2nd-Life Elektroauto-Batterien Strom für das Konzert der erfolgreichen Band. Tagsüber wurden diese Energiespeicher mit Sonnenenergie „getankt“ und während des Auftritts entladen. Zukünftige Erweiterungen ermöglichen sogar eine 100-prozentige Stromversorgung. Das Konzept, Fahrzeugbatterien als Energielieferant für das Stadion zu nutzen, lässt sich perspektivisch auch mit rollenden Fahrzeugakkus umsetzen: Besucher:innen parken ihre E-Autos, stimmen dem bidirektionalen Laden zu und liefern so Strom ans Stadion. Das Pilotprojekt bestätigt: Skalierung ist möglich.
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