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Der andere Blick

Das formidable Frühstück hätte für eine ganze Armee gereicht, obwohl wir die einzigen Gäste in diesem kleinen Paradies mitten in einer Stadt sind. Marie und Alain sind erst sehr spät nach Hause gekommen, trotzdem haben sie für uns früher als üblich den Frühstückstisch gedeckt, da wir eine weite Etappe – nach Paris – vor uns haben. Die Filmcrew holt uns ab, wir drehen noch ein paar Einstellungen, verabschieden uns mit dem Versprechen, Kontakt zu halten und ziehen los.

 

In unserem nächsten Quartier – wieder ein wunderschönes altes Haus in einem Vorort von Paris, in Mareil-Marly empfängt uns Emmanuelle mit gleich 3 riesigen Hunden. Wenn man nie einen Hund hatte und einem der Umgang mit Hunden nicht vertraut ist, flössen sie einem immer etwas Respekt ein. Emmanuelle erklärt uns, wie wir in der Nacht die Hofeinfahrt zu öffnen ist und wir wieder ins Haus kommen: Es gibt keine Schlüssel, das Haus ist immer offen, sie hat ja die 3 Hunde…

 

Eigentlich wollten wir doch gar nicht nach Paris. Und dann halt doch. Die Anfahrt zu dem Heißluftballon, der eine viertelstündige Sicht über Paris präsentiert – das einzig Schöne, das uns heute in dieser Stadt begegnet wird -  ist ein Horror für mich. Auf den mehrspurigen Autobahnen wird kreuz und quer Spur gewechselt, dazwischen rasen Motorräder in Schlangenlinien durch den dichten Verkehr. Ich stehe permanent mit beiden Füßen auf der ‚Bremse‘, obwohl ich gar nicht hinter dem Lenkrad sitze. Völlig verschwitzt und steif steige ich aus dem Bus, als wir unglaublicher Weise ohne Crash in einer Parkgarage mit Ladestation einparken. Ob dieses Wunders gelobe ich hiermit öffentlich: NIE WIEDER PARIS MIT DEM AUTO – EGAL WELCHES!!!

 

Überhaupt war der abrupte Wechsel von der wunderschönen bretonischen Küste und der faszinierenden Inselwelt des Golfes von Morbihan in diesen Moloch Großstadt ein Schock. Überfüllt, laut, stinkend, dreckig, hektisch, stressig, überteuert. Das romantische Bild von Paris, das ich als 19-Jährige erlebt und so in Erinnerung hatte, zerplatzt wie eine Seifenblase. Der Platz unter dem Eiffelturm ist zu einem Hochsicherheitstrakt verkommen, die ganze Stadt ein menschlicher Ameisenhaufen, in den gerade ein Riesenfuß hineingetreten ist und daraufhin alles panisch und kopflos herumhastet. Mir fällt ständig der eigenartige Begriff ‚entmenschtes Leben‘ ein…

 

Und morgen – am Weg nach Straßburg - müssen wir im Morgenverkehr da noch einmal durch, mir graut schon jetzt davor.

 

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