· 

Der 10. Tag

Die Akkus stehen auf 100%, das Wetter ist wunderbar, wir starten nach La Gacilly. Warum? Weil dort vom 1. Juni bis zum 30. September 2022 Frankreichs größtes Open Air Fotofestival stattfindet. Dieses künstlerische Ereignis verschreibt sich ganz der Umwelt und möchte auf diese Weise nachhaltig zu einem festen Bestandteil der Landschaft werden. Hunderte großformatige Fotografien werden an den granitenen Häuserfassaden des idyllischen 2.000-Einwohner-Dorfes ausgestellt.

Ethik und Nachhaltigkeit, Mensch und Natur stehen im Mittelpunkt. Dabei vermischen sich Kunst und Fotojournalismus. Mehr als 300.000 Besucher kommen jedes Jahr hierher.

 

Ins Leben gerufen wurde das Fotofestival 2003 von Yves Rochers Sohn Jacques, der ebenso wie einst sein Vater Bürgermeister seines Heimatorts La Gacilly ist. Die bekannte Kosmetikmarke hat heute noch ihren Sitz und eine Produktionsstätte in dem bretonischen Dorf am Fluss Aff. Warum, das erklärt Jaques Rocher so: "Die Fotografie verewigt den Lauf der Zeit und hält die Schönheit unseres Planeten fest, um uns an die Zerbrechlichkeit seiner Böden und Wälder zu erinnern und Zeugnis vom menschlichen Handeln abzulegen. La Gacilly ist der Ort, an dem all dies zum Leben erweckt wird. Durch ihre einzigartige Vision und ihre Bilder sind die Fotografen sowohl Zeugen als auch Katalysatoren des Wandels. Die hier gezeigten Fotografien appellieren an unser Gewissen und regen den Betrachter zum Handeln an, indem sie zeigen, wie dringend wir etwas unternehmen müssen."

 

Große Worte, die aber glaubwürdig und überzeugend wirken, ist man erst einmal dort. Das ganze Dorf ist Fotografie, ist Kunst. Wie selbstverständlich fügen sich die Bilder in die Gassen und Parks ein, unzählige Kunstinteressierte schlendern durch die Outdoorausstellung, keiner und keine scheint davon nicht berührt, so brisant sind die Themen für 2022: "Visions of the East", "The World of  Tomorrow 2022" und "Creation 2022". Schon das erste Thema zieht einen richtig hinein in die Welt von Afghanistan, Iran und Pakistan. Fotografinnen dominieren dieses Thema, die Arbeiten von Fatimah Hossaini rauben einem schier den Atem, sowohl inhaltlich wie auch formal - ihre Arbeiten sind in einer unfassbaren Größe umgesetzt. Eine Machtdemonstration der weiblichen Sichtweise wie auch der Fotografie selbst. Im positivsten Sinne. 

 

La Gacilly ist ein beispielhaft schönes Dorf, Häuser mit Steinfassaden und blauen Fensterläden, kleine Gassen, ein schöner Fluss - einfach ein Ort, am dem man länger verweilen möchte, wäre man nicht auf einem Roadtrip. Stichwort Roadtrip: Heute haben wir zweimal kurz geladen, das erste Mal völlig unkompliziert, das zweite Mal mittels einer App, hat etwas gedauert, aber hat einwandfrei funktioniert. So stellt man sich elektrisch Reisen vor: Beim Kaffeetrinken und während des Kunstgenusses zu laden. Und wenn es dann im Dorf auch noch eine - wenn auch fast historische - Waschstraße gibt, sind wir besonders zufrieden.

 

Ein schöner, inhaltsreicher und sinnlicher Tag. Wir beschließen ihn in Arradon bei einem guten Abendessen und herrlichem Weißwein direkt am Golf von Morbihan im Mondschein....

 

Als Zugabe möchte ich Euch noch das Vorwort zur Ausstellung in La Gacilly von Ausstellungskurator Cyril Drouhet näherbringen:

 

IMAGES DER HOFFNUNG

"Es ist sinnlos, dass der Mensch den Mond erobert, wenn er am Ende die Erde verliert." François Mauriac

Wir sagen oft, dass sich die Geschichte wiederholt, um den Kopf in den Sand zu stecken oder uns selbst zu beruhigen. Die Geschichte mit ihren blutigen Exzessen und obskurantistischen Tendenzen darf sich nicht wiederholen, sonst wäre sie ein trauriges Eingeständnis der Wertlosigkeit des Menschen. Wenn das Chaos uns, wie heutzutage allzu oft, an unsere schlimmsten Erinnerungen erinnert, konzentrieren wir uns auf unsere unmittelbaren Sorgen und verschieben die weiter entfernte, weniger wahrnehmbare Realität auf morgen. Das ist ein ganz natürliches, menschliches Gefühl, und man sollte niemandem einen Vorwurf daraus machen. Und doch... Das Gleiche gilt für das fragile Gleichgewicht unseres Planeten: Wir sind uns dessen bewusst, wir spüren es, wir wissen, dass die lebendige Welt stirbt, dass wir in einem prekären Umweltzustand leben, aber die Probleme und Gefahren, die heute in den Schlagzeilen sind, verdecken dieses unausweichliche Schicksal.

 

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0