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Der 11. Tag: Am Ende aller Reisen....

LEO: ZUSAMMENFASSUNG

 

„Es heißt, am Ende aller Reisen, weiß man doch wiederum die Erde rund“, so der Poet André Heller in einem seiner Gedichte. Für uns als Elektromobilisten ist das gut nachvollziehbar - im Durchschnitt fährt man so viele Kilometer bergauf wie auch bergab. Letzteres nennt man Rekuperation. Ist nicht poetisch, aber macht ungeheuren Spaß. Das ist nur eines der Erkenntnisse unserer Reise, die heute zu Ende gegangen ist. Schade eigentlich, denn dieser Wechsel zwischen Sprachen und Kulturen, zwischen Künsten und Küchen, zwischen Süß- und Salzwasser hat uns fasziniert und uns wieder einmal dieses großartige Projekt Europa mit all seiner Vielfalt plastisch vor Augen geführt. Es sind die Begegnungen, die das Leben reizvoll erscheinen lassen, und davon hatten wir viele. Viele interessante, aus denen wir lernen durften, die unseren Blick wieder einmal geschärft und auf andere Dinge gelenkt haben. 

 

Doch was war das Ziel unseres Experiments? Die Langstreckenfähigkeit dieser Technologie, der Elektromobilität, die wir so dringend für das Erreichen der CO2-Ziele des Pariser Klima-Abkommens benötigen, zu beweisen. Das ist - so kann man ohne  detaillierte Auflistung an Fakten sagen - geglückt. Für mich kann ich sagen, wenn es irgendwie möglich ist, möchte ich in Zukunft nur mehr so reisen. Emissionsfrei, lautlos, entspannt. Doch selbstverständlich ist das nur eine, meine persönliche Meinung. Und genauso selbstverständlich erwartet man von uns auch eine Aufzählung der Fakten, die mich so positiv stimmen.

 

Nun dann: Ja, es gibt ein starkes Nord-Süd-Gefälle in der Betrachtung dieser speziellen Reise. Der Zugang zu dieser Technologie ist hier sehr differenziert umgesetzt. Während man im Norden (Deutschland, Schweiz, Österreich, aber auch das nördliche Frankreich) versucht, eine unkomplizierte und praxisgerechte Versorgung mit Strom herzustellen, verliert sich der Süden (Südfrankreich, Italien) in Planspielchen der besonderen Art. Jeder kleine Stromanbieter (wahrscheinlich auch jeder große) oder Lade-Provider entwickelt eigene Zugangshürden, die zum Zweck haben, den Nutzer an sich zu binden, aber einen gegenteilige Wirkung erzeugen. Bevor man Strom beziehen kann, muss man Abos abschließen, auch wenn man nur einmal dort laden will, Fragebögen ausfüllen, Steuernummern bekanntgeben, alles Informationen, die man gerne eingibt, um endlich an die ersehnte Elektrizität zu gelangen, bis man dann an der Postleitzahl scheitert, weil das System nur italienische akzeptiert. Alles umsonst. Meine Empfehlung: In diesen Ländern diese kleinen Anbieter einfach ignorieren. Nur die großen anfahren. Stichwort IONITY. Hier wurde ein Netzwerk geschaffen, das in all diesen Ländern gleich und klaglos funktioniert. 

 

Was mich zum Auto führt, den IONITY ist ja die Initiative der großen deutschen Autohersteller. Unser Auto war ein Volkswagen ID.4 GTX, brandneu und faszinierend. Alles, was man dazu sagen kann: Der Hersteller hat seine Hausaufgaben gemacht. Das ist ein Automobil auf Höhe der Zeit, es gibt nichts, was ich mir hier dazu noch wünschen könnte, außer: mein Herz schlägt für den ID.Buzz. Der wird es bei mir werden. 

 

Zurück zur Kernfrage. Sie lautete: Ist man mit Elektromobilität heute uneingeschränkt reisefähig? Meine Antwort. Ja. Kein Zweifel. Die Reisekultur, die man mit einem Elektromobil entwickelt, erhöht den Genussfaktor des Autoreisens um ein Vielfaches. Man reist entspannter, weniger gehetzt, genießt den Moment. 2907 km haben wir in 11 Tagen zurückgelegt, mit durchschnittlich 17,2 kWh pro 100 km. Das sind bei einem ebenfalls durchschnittlichen Strompreis von 39 Cent/kWh ein Gesamtpreis von 201 Euro. CO2-frei, nicht immer mit reinem Grünstrom, aber doch sehr oft, in der Schweiz zum Beispiel durchgehend.

 

Nun bin ich traurig und glücklich zugleich. Traurig, dass diese wunderbare Reise, bei der uns auch eine Handvoll Freunde virtuell begleitet haben, nun zu Ende ist, und dass ich dieses großartige Automobil, das meine Verena liebevoll „Graues Nilpferd“ nennt, morgen zurückgeben muss. Glücklich darüber, diese Reise, dieses Experiment gemacht zu haben. Mit der besten Reisebegleiterin der Welt. Und mit der Erkenntnis, dass noch viel mehr möglich ist.

 

 

VERENA: CONCLUSIO

 

Dass im Vorfeld mit dieser verrückten Reise-Idee meinerseits keine infernalischen Freudensausbrüche einhergingen, ist ja kein Geheimnis geblieben. Im Nachhinein betrachtet (wir sitzen gerade einträchtig auf unserer schönen Terrasse in Seekirchen am Wallersee mit einem Glas Retsina zur selbstgemachte aber zugegebener Maßen aus dem Tiefkühler gezauberten Moussaka) sieht die Sache inzwischen etwas anders aus. 

 

Abgesehen von einigen Momenten der Verzweiflung (durchaus eine ‚südliche‘ Verzweiflung, im Norden ließ sie merklich nach), was die Ladeproblematik unseres ID4 (ich nannte ihn heimlich „Graues Nilpferd“) betrifft, war die Rundreise durch 5 Länder eigentlich ein großes Geschenk des Lebens. Allein der relativ schnelle Wechsel von einem Land ins nächste (Österreich-Italien-Frankreich-Schweiz-Deutschland-back to good old Österreich) und auch relativ kurzen Aufenthalten verdichtet sich der Blick auf die immens spürbaren Unterschiede dieser europäischen Länder: Sprache (eh klar), Architektur, Kultur, Menschen, Kulinarik, Verkehrsverhalten, etc. etc. etc. Das in komprimierten 11 Tagen zu erleben, ist äußerst spannend und wirklich jedem Reisenden, der Abwechslung liebt, zu empfehlen. Diese Unterschiede sind in der Tat eklatant, obwohl es sich oft nur um ein paar Hundert Kilometer Entfernung handelt. Es würde jetzt zu weit führen, darauf im Detail einzugehen, es sei nur ein Beispiel genannt: Ein nettes Lokal für ein gemütliches Abendessen zu suchen ist in Bergamo ein völlig anderes Prozedere als im schweizerischen Kreuzlingen. Auch die Ergebnisse könnten unterschiedlicher nicht sein… 

 

Unser luxuriöses Vehikel leistete ausnahmslos hervorragende Dienste, da gibt es echt nichts herumzumäkeln. In einem klitzekleinen Stau auf der deutschen Autobahn (sie war heute echt gnädig zu uns!) hatten wir sogar den völlig abwegigen Gedanken, uns selbst so ein graues Nilpferd zu kaufen (das Problem ist nur, dass wir dazu unser Haus verkaufen müssten und dann hätten wir keine Garage mehr…)

 

Also gut, mein liebster Turbo-Leo, vielen Dank, mich ‚mitgeschleppt‘ zu haben. Ich bin wieder dabei, falls Du wieder so verrückte Reise-Ideen hast. Mitgefangen, mitgehangen, oder so.

 

Es gibt wahrhaft Schlimmeres.

 

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Kommentare: 5
  • #1

    Die Hatties (Freitag, 10 September 2021 19:33)

    Schön, dass ihr wieder gesund und mit vielen neuen Eindrücken und Erfahrungen im Gepäck zurück seid. Wir freuen uns auf einen baldigen Erfahrungsaustausch.
    Liebe Grüße Marlies und Klaus

  • #2

    F&H (Freitag, 10 September 2021 23:12)

    Welcome back und danke für‘s Teilhabenlassen
    … und tschüss, wir ziehen gegen Norden… teils mit E-Mobilität der DB, falls die Lokführer uns gnädig!
    Friedl & Hajo

  • #3

    Elisabeth M. (Samstag, 11 September 2021 09:20)

    Gratulation zu eurer wunderbaren Reise voller Erlebnisse, Eindrücke und Genüsse. Und DANKE, dass ihr mich/uns dabei zumindest virtuell mitgenommen habt!

  • #4

    sw (Freitag, 17 September 2021 10:02)

    Ihr seid einfach ein cooles Gespann! Super geschrieben, obwohl ich den letzten Beitrag aus Zeitgründen erst heute gelesen habe! Lasst es euch gut gehen!

  • #5

    Johannes Werner (Montag, 08 November 2021 15:50)

    Ich habe ja erst im Nachhinein von eurer Reise erfahren, doch mit umso grösserer Freude alle Tage in einem Durchgelesen. Konnte garnicht mehr aufhören, sehr spannend und mitreissend geschrieben. Ihr macht uns Lust auch einmal so eine Runde zu versuchen…. Danke u lG J